Wissenswertes zum Rücktritt vom Immobiliengeschäft nach § 30a KSchG
Neben dem allgemeinen Rücktrittsrecht vom „Haustürgeschäft“ nach § 3 KSchG ist in § 30a KSchG ein weiteres Rücktrittsrecht des Verbrauchers / der Verbraucherin geregelt. Wenn ein Verbraucher eine Vertragserklärung, die auf den Erwerb eines Bestandrechtes, eines sonstigen Gebrauchs- oder Nutzungsrechtes oder des Eigentums an einer Wohnung, an einem Einfamilienwohnhaus oder an einer Liegenschaft, die zum Bau eines Einfamilienwohnhauses geeignet ist, „am selben Tag“ abgibt, an dem er oder sie das Vertragsobjekt das erste Mal besichtigt hat, so kann dieser Verbraucher oder diese Verbraucherin von ihrer Vertragserklärung zurücktreten, sofern der Erwerb der Deckung des dringenden Wohnbedürfnisses der Verbraucherin oder des Verbrauchers oder eines nahen Angehörigen dienen soll. Dieses Rücktrittsrecht kann binnen einer Woche nach der Vertragserklärung des Verbrauchers ausgesprochen werden. Sofern ein Makler eingeschritten ist und die Rücktrittserklärung an ihn gerichtet wird, bezieht sich der Rücktritt auch auf den Maklervertrag. Für dieses Rücktrittsrecht ist es nicht erheblich, wer das Rechtsgeschäft angebahnt hat (in der Regel wird dies der oder die Verbraucherin sein, die auf eine Annonce antwortet und den Abgeber oder Makler kontaktiert). Anders als das Rücktrittsrecht vom Haustürgeschäft, welches in § 3 KSchG geregelt ist, gilt das Rücktrittsrecht vom Immobiliengeschäft (§ 30a KSchG) auch zwischen Verbrauchern. Die Rücktrittsfrist beträgt eine Woche nach der Vertragserklärung. Anders, als nach § 3 KSchG beginnt die Frist also nicht erst, wenn ein von Verbraucher abgegebenes Anbot vom Abgeber angenommen und der Vertrag damit zustande gekommen ist. Die einwöchige Rücktrittsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Verbraucher eine Zweitschrift (Abschrift) der Vertragserklärung und eine Rücktrittsbelehrung enthalten hat. Die Rücktrittsbelehrung muss vollständig und klar sein, diesbezüglich wird auf die Rechtssprechung zu § 3 KSchG zurückgegriffen.
Grundvoraussetzung für dieses Rücktrittsrecht nach § 30a KSchG ist, dass die oder der Verbraucher die Vertragserklärung „am selben Tag“, an dem er das Objekt das erste Mal besichtigt hat, abgegeben hat.
Zur Auslegung des Begriffes „am selben Tag“ waren die Meinungen der Juristen bis zur Entscheidung des OGH vom 12.05.2009 (4 Ob 45/09k) durchaus nicht einhellig. In der zitierten, sehr spannenden Entscheidung, hat eine Verbraucherin am 24.10. um 16:00 Uhr erstmalig besichtigt. Der Makler gab der Interessentin die Empfehlung, mit der Bank des Verkäufers die Voraussetzung zur Lastenfreiheit zu besprechen und hat keine Vertragserklärung verlangt oder erhalten. Am 25.10. war die Interessentin um 9:00 Uhr bei der Bank des Verkäufers, sie lehnte den Finanzierungsvorschlag dieser Bank ab, da sie eine anderwärtige Finanzierung für besser oder genauso tauglich hielt. Am 25.10. um 10:00 Uhr unterfertigte sie sodann das Kaufanbot und die Provisionsvereinbarung und vom Immobilienmakler wurde ihr sowohl die Vertragserklärung, das Kaufanbot, als auch ein Informationsblatt im Sinne des § 30b KSchG ausgefolgt. Am 27.10. erklärte der Ehemann der Interessentin gegenüber dem Makler telefonisch den Rücktritt vom Kaufanbot. Schlussendlich wurde dem klagenden Immobilienmakler die Provision vom OGH zugesprochen, da die Vertragserklärung nicht „am selben Tag“, als die erstmalige Besichtigung stattfand, abgegeben wurde. Die Interessentin hatte Zeit, ihre Entscheidung zu „überschlafen“. Der OGH bestätigt, dass unter dem Begriff „am selben Tag“ grundsätzlich der Kalendertag der erstmaligen persönlichen Besichtigung des Kaufobjektes unter Abgabe der Vertragserklärung zu verstehen ist.
Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn der oder die Interessentin zwischen Besichtigung und Vertragserklärung keine Gelegenheit hatte, die Vor- und Nachteile des Geschäftes abzuwägen, kann es – auch dies wird höchstgerichtlich erwähnt – dazu kommen, dass nicht mit dieser am Wortlaut orientierten Auslegung, sondern mit der „24-Stunden-Regel“ operiert wird. Solch ein besonderer Ausnahmefall, den der Oberste Gerichtshof selbst erwähnt, kann dann gegeben sein, wenn die Besichtigung in den späten Abendstunden stattgefunden hat und die daran anschließende Vertragserklärung erst nach Mitternacht abgegeben wurde. Die Kaufinteressentin hatte ausreichend Gelegenheit, den Entschluss zu überdenken; sie hatte einen Banktermin noch vor Abgabe der Vertragserklärung und darüber hinaus mit dem Makler im Zuge der Abgabe der Vertragserklärung auch ein (erfolgreiches) Gespräch zur Herabsetzung des Kaufpreises geführt, da am benachbarten Grundstück (einem Reitstall) ein „Misthaufen“ befindlich war.
Makler, die keine wie auch immer geartete Diskussion aufkommen lassen wollen, sind jedoch gut beraten, wenn sie zwischen dem Erstbesichtigungstermin und der Vertragserklärung des Verbrauchers / der Verbraucherin 24 Stunden vergehen lassen.
RA Dr. Erich René Karauscheck
ist der auf das Immobilienrecht spezialisierte Partner der
Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH