„Mehr als 5 % und 3 (höchstens 5) Monate“ – Die neue Formel zur Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsstockung? (Anmerkungen zu OGH 3 Ob 99/10w)
Die Abgrenzung der „Zahlungsunfähigkeit“ im insolvenzrechtlichen Sinn zur bloßen „Zahlungsstockung“ ist (neben dem insolvenzrechtlichen Begriff der „Überschuldung“ für Gesellschaften) von entscheidender Bedeutung für wesentliche Bereiche wie das Erfordernis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die wesentlichen insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände.
Schon bisher galt:
– Zahlungsunfähigkeit liegt vor, „wenn der Schuldner mangels bereiter Mittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen und sich die dazu erforderlichen Mittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann“ (vgl. OGH vom 28.06.1990, 8 Ob 624/88; Konecny/Schubert „Kommentar zu den Insolvenzgesetzen“ Rz 5 zu § 66 KO, Honsell GesRZ 1984, 140; Bartsch/Heil4 Rz 15; EvBl. 1982/164; EvBl. 1983/151; ÖBA 1987, 340; ÖBA 1988, 276; SZ 60/207; RdW 1988/13; SZ 63/124; ecolex 1990, 675; WBl. 1990, 248 u.a.).
– Der „Mangel bereiter Zahlungsmittel“ liegt vor, wenn liquide Zahlungsmittel (Bargeld, Buchgeld, offene Kreditlinien) nicht vorhanden sind und (oder) leicht und kurzfristig verwertbares Vermögen nicht zur Verfügung steht (4 Ob 624/75 = EvBl. 1977/209 [Schuhmacher]).
– Der Schuldner muss im Stande sein, „alle fälligen Schulden“ bei redlicher Geschäftsgebarung in angemessener Frist zu begleichen (vgl. 1 Ob 134/07y sowie OGH in 4 Ob 547, 548/81 u.a.).
Zur Frage der Abgrenzung der „Zahlungsstockung“ zur insolvenzrechtlichen „Zahlungsunfähigkeit“, also zur Frage, wie lange und in welchem Umfang ein Schuldner unfähig sein darf, seine fälligen Schulden begleichen zu können, um noch von einer bloßen Zahlungsstockung sprechen zu können, hat der OGH in 3 Ob 99/10w nahezu „formelhaft“ Stellung genommen. Auch wenn es naturgemäß immer auf weitere Umstände des Einzelfalles ankommt, gilt – vereinfacht und verkürzt – nunmehr folgendes:
Der Schuldner,
– der mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht zahlen kann und
– der den Gegenbeweis nicht erbringen kann, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass er innerhalb von 3 Monaten (höchstens 5 Monaten) die erforderlichen Geldmittel beschaffen kann, um die Liquiditätsschwäche zu beseitigen und alle seine Schulden pünktlich zu bezahlen,
ist zahlungsunfähig im insolvenzrechtlichen Sinn; diesfalls kann von einer bloßen Zahlungsstockung nicht mehr gesprochen werden.