Die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in der EU

Eine Gesellschaft – gleichgültig welcher Art – muss in erster Linie in einem Mitgliedsstaat („MS“) rechtswirksam gegründet worden sein, um in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit einer natürlichen Person gleichgestellt zu sein. Handelt es sich bei dem Staat des tatsächlichen Hauptverwaltungssitzes und dem Staat in dem die Gesellschaft gegründet wurde um zwei unterschiedliche Staaten, die jedoch beide MS sind, so ist die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft von Ersterem jedenfalls anzuerkennen, wenn sie rechtmäßig in Zweiterem gegründet wurde. Ausschließlich beim Vorliegen eines der Ausnahmetatbestände (was regelmäßig nicht der Fall sein wird, denn als Ausnahmetatbestände idS sind zu verstehen: öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit und zwingendes Allgemeininteresse) kann sich ein MS auf eine gerechtfertigte Nichtanerkennung der Gesellschaft berufen (Ratka, Europäisches Gesellschaftsrecht 58). Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Notwendigkeit einer Maßnahme können nur angewendet werden, wenn es sich um konkret zu bekämpfende Betrügereien handelt (EuGH 09.03.1999, C-212/97 Centros, Slg 1999, I-01459; EuGH 05.11.2002, C-208/00 Überseering, Slg 2002, I-09919).

Wird durch die Gründung der Gesellschaft in einem anderen MS als jenem in dem die Gesellschaft später ihren tatsächlichen Hauptverwaltungssitz hat, ausschließlich ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt, so ist dies kein Rechtsmissbrauch, der die Nichtanerkennung der Gesellschaft rechtfertigen würde (EuGH 09.03.1999, C-212/97 Centros, Slg 1999, I-01459).

Gesellschaften aus Gründungstheoriestaaten können somit ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in das Inland verlegen, wo sie anerkannt werden müssen. Dies selbst dann, wenn zu keinem Zeitpunkt eine andere als die inländische Gesellschaft geplant war und es sich bei dem ausländischen Sitz um einen „Briefkasten“ handelt (Rüffler, Die Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften, GeS 2005, 411).

1. Ein Beispiel zur besseren Veranschaulichung:

Ein angehender Unternehmer entschließt sich eine Gesellschaft zu gründen. Um den Verwaltungsumfang und insb die Kosten die hierbei anfallen möglichst gering zu halten, beschließt er sich bei seinem nächsten (Urlaubs-)Aufenthalt in GB eine Private Limited zu gründen. Voraussetzung hierfür ist die Eintragung dieser Gesellschaft in das britische Handelsregister(Companies House). Auch der Zeitaufwand, welcher in GB zur Gründung einer solchen Gesellschaft mitunter nur 24 Stunden beträgt, ist wesentlich geringer als jener der bei der Gründung einer GmbH in Österreich anfallen würde, abgesehen von der Kostenersparnis (er müsste nur einen „share“/Anteil kaufen, was einem UKL entspricht) bei der Errichtung einer Private Limited Company.

Mit der Registrierung der Gesellschaft muss ein statement of capital and initial shareholdership eingereicht werden, das die Höhe des anfänglichen Nominalkapitals ausweist (Von Rummel, Institutioneller Gläubigerschutz im Recht der kleinen Kapitalgesellschaften 26).

Nun möchte unser „Jungunternehmer“ – nach Beendigung seines Urlaubs – mit dieser neu errichteten Gesellschaft ausschließlich in Österreich geschäftlich tätig werden. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass dies nur für die Verlegung des Verwaltungssitzes möglich ist, jedoch nicht für die gleichzeitige Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes oder nur bei Verlegung des Satzungssitzes ohne Anpassung der Satzung an das Zuzugsrecht. Passt jedoch die Private Limited Company (Ltd) ihr Statut an das Zuzugsrecht an, so kann eine fehlende Rechtspersönlichkeit auch bei einer Satzungssitzverlegung nicht entgegengehalten werden. In praktischer Hinsicht ist dies jedoch va deswegen von nur geringer Bedeutung, da die Gesellschaft im Staat in dem sie ihre Hauptniederlassung hat keine Geschäftstätigkeit zu entfalten braucht, um in einem anderen MS Zweigniederlassungen zu gründen (EuGH 09.03.1999, C-212/97 Centros, Slg 1999, I-01459). Die im Beispiel genannte Ltd kann somit einfach in Österreich ihre materielle Hauptniederlassung formal als Zweigniederlassung im Firmenbuch eintragen lassen. Dadurch wird auch das Gesellschaftsstatut der formalen Hauptniederlassung nach Österreich mitgenommen.

Auch in der „Bordell“-Entscheidung verhielt es sich ähnlich, als nämlich versucht (es blieb deswegen nur versucht, weil dem Eintragungsbegehren im Endeffekt doch nicht entsprochen wurde, als nämlich für den Betrieb eines Bordells eine Bordellbewilligung erforderlich gewesen wäre, die jedoch nur natürlichen Personen erteilt werden darf) wurde eine in Cardiff (GB) nach britischem Recht gegründete Ltd im Firmenbuch Graz eintragen zu lassen. Die Eintragung wurde vom Firmenbuchgericht Graz gem § 13 Abs 3 HGB (keine Änderungen im UGB) iVm §§ 9 f IPRG verweigert. Es wurde die Nachreichung einer Bestätigung der für die Hauptniederlassung zuständigen Gewerbebehörde über Bestand und regelmäßige Geschäftstätigkeit sowie über die Art der Geschäfte verlangt. Gerade der Nachweis der regelmäßigen Geschäftstätigkeit konnte jedoch selbstverständlich nicht erbracht werden, da die Gesellschaft, wie jene in dem Beispiel, ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich von der Zweigniederlassung in Österreich vornehmen sollte. Der OGH entschied anders als seine Vorinstanzen:

Nach der acte clair (Eine Vorlage an den EuGH ist dann nicht möglich wenn die Frage im Hinblick auf die bisherige Rsp des EuGH als offensichtlich ohnehin hinreichend geklärt ist) – Doktrin wurde der EuGH mit diesem Sachverhalt nicht mittels Vorabentscheidungsverfahren befasst, sondern sah der OGH diesen Sachverhalt als völlig vergleichbar mit der Centros – Entscheidung an, welcher er zwar folgte, die Eintragung in das FB aber dennoch versagte, da keine sog Bordellbewilligung vorlag (OGH vom 11.11.1999, 6 Ob 122/99f).

Einleuchtender Weise verhält es sich bei Gesellschaften die für die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit eine Konzession benötigen, wie beispielsweise das Einlagen- und Kreditgeschäft für welches im BWG Konzessionspflichten vorgesehen sind anders. Die Gesellschaft in unserem obigen Beispiel müsste hierfür folglich die in § 4 BWG vorgesehene Konzession einholen, sofern es sich um ein Kredit- oder Finanzinstitut handelt (OLG Wien, 5.12.2003, 28 R 338/03m; Ratka, GeS aktuell 2004, 308).

Sofern die Ltd aus dem obigen Beispiel für die Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit keine Konzession benötigt und den Sitz ihrer tatsächlichen Hauptverwaltung nach Österreich verlagert, ist sie als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu betrachten. Sie kann ihre Geschäftstätigkeit jedoch ohne im Firmenbuch eingetragen zu sein in Österreich nicht ausüben (Andernfalls würden ihr Zwangsstrafen wegen Nicht-Eintragung drohen). Dies ergibt sich auch aus dem Sekundärrecht. So beinhaltet die „Erste Richtlinie“ (RL 68/151/EWG, Publizitätsrichtlinie). Vorschriften betreffend die Publizität, Vertretungsmacht und Nichtigkeit der Gesellschaft und die „Elfte RL“ (RL 89/666/EWG, Zweigniederlassungsrichtlinie) ebenfalls Regelungen die Publizität betreffend. Die Offenlegungsvorschriften der Publizitätsrichtlinie beinhalten nicht nur die Offenlegung bestimmter wichtiger Tatsachen und Rechtsverhältnissen, wie der Einreichung bestimmter Urkunden und Angaben bei einem Handelsregister (In Österreich: Firmenbuch), sondern auch die Bilanzpublizität (EuGH 04.12.1997, Rs C-97/96, Slg 1997, I-6843 – Daihatsu; vgl hierzu auch Rüffler, Europäisches Gesellschaftsrecht, 37f). Die PublizitätsRL wird durch die bereits angeführte ZweigniederlassungsRL aber auch durch die RL über den Jahresabschluss (RL 78/660/EWG, Jahresabschlussrichtlinie) ergänzt wodurch es va im Bereich der Bilanzierung zu einem erhöhten Kostenaufwand kommt und viele der übereilt gegründeten Ltds auch wieder gelöscht wurden. Die Löschung ist in einem solchen Fall im companies House zu beantragen und hat in weiterer Folge auch die Liquidierung allfälliger Zweigniederlassungen in Österreich zur Folge.

Nimmt die im Beispiel angeführte Ltd diesen Aufwand jedoch hin, so unterliegt sie in weiterer Folge keiner Kontrolle etwaiger Aufsichtsorgane Großbritanniens, des Staates in dem sie gegründet wurde, da die britischen Aufsichtsorgane in Österreich keine Kontrollbefugnisse haben -Territorialitätsprinzip- (Ratka, Europäisches Gesellschaftsrecht 63f).

Dieses Beispiel sollte die Praxisrelevanz der bisherigen Judikatur des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften verdeutlichen.

2. Weiters ist zusammenfassend festzuhalten, dass bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften immer noch zwischen „Zuzugs- und Wegzugsfällen“ zu unterscheiden ist, da nur der „Zuzugsfall“ von der Niederlassungsfreiheit erfasst ist, sich die wegziehende Gesellschaft jedoch nicht gegenüber dem Wegzugsstaat, in dem sie gegründet wurde, auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann (Rauter, JAP 2008/2009/19, Cartesio bleibt Daily Mail, 169; vgl hierzu weiter Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen – Eine Bestandsaufnahme aus gesellschafts-, handels- und steuerrechtlicher Sicht, DStR 1999, 1403ff).

Erklären lässt sich diese Differenzierung damit, dass mangels einer unionsrechtlichen Regelung auf den Wegzug einer Gesellschaft das nationale Recht zur Anwendung gelangt.

Hierzu ist Kritik durchaus angebracht, da eine derartige Unterscheidung dazu geeignet ist, Wirtschaftstreibende innerhalb der EU in ihrem freien Grenzübertritt am Binnenmarkt zu beschränken (Ruhm/Toms, GeS 2009, 48 [51]). Auch gilt es dabei zu beachten, dass nur der Zuzug von Gesellschaften ermöglicht werden muss, die aus einem „Gründungstheoriestaat“ zuziehen. Auf Gesellschaften, die aus einem MS zuziehen, der ebenfalls der Sitztheorie folgt, kann hingegen weiter die Sitztheorie vertreten werden. Folglich wäre eine identitätswahrende Sitzverlegung aus Österreich nach Deutschland, unzulässig (Rüffler, Europäisches Gesellschaftsrecht, 20). Umgekehrt ist es hingegen, seit Einführung des MoMiG (Gesetz zur Moderniesierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008) möglich, da dabei die Abs 2 der §§ 4a dGmbHG und 5 dAktG gestrichen wurden, nach welchen ein inländischer Verwaltungssitz gefordert war. Abs 1 verlangt nunmehr in der Satzung einen Sitz im Inland, wodurch der Verwaltungssitz ins Ausland verlegt werden kann, solange die in der Satzung vorausgesetzte Verankerung im Inland aufrechterhalten wird. Somit ist in Deutschland nur mehr die Satzungssitzverlegung mit der Liquidierung der wegziehenden Gesellschaft sanktioniert (Däubler/Heuschmid, Cartesio und MoMiG – Sitzverlagerung ins Ausland und Unternehmensmitbestimmung, NZG 2009, 493 [495]).

Diese Differenzierung ist, wie der Generalanwalt Poiares Maduro in seinen Schlussanträgen zur Rs Cartesio ausführt, für kleine und mittlere Gesellschaften im Falle einer Sitzverlegung, sowohl mit hohem finanziellen und administrativen, als auch hohem zeitlichen Aufwand verbunden, welcher mit der Auflösung der Gesellschaft in dem Herkunftsland und der neuerlichen Gründung im Bestimmungsland einhergeht.

Die Konsequenz, nämlich dass die Sitztheorie nicht weiter auf Mitgliedstaaten der EG anwendbar ist, darf jedoch ebenfalls nicht unterschätzt werden:

Einerseits werden sich Juristen, sowohl Richter als auch Parteienvertreter, immer öfter mit gesellschaftsrechtlichen Regelungen anderer Mitgliedstaaten auseinanderzusetzen haben, die durch zuziehende Gesellschaften „importiert“ werden. Andererseits wird es, wie bereits im Bereich des E-Commerce-Gesetzes (§§ 20 ff ECG), nach dem Herkunftslandprinzip zu einem „race to the bottom“ kommen – zum Wettbewerb der Gesetzgeber um ein möglichst regelungsarmes Gesellschaftsrecht (Kindler, Niederlassungsfreiheit für Scheinauslandsgesellschaften? Die „Centros“-Entscheidung des EuGH und das internationale Privatrecht, NJW 1999, 1993 (2000); vgl dazu auch Eidenmüller, Geschäftsleiter- und Gesellschafterhaftung bei europäischen Auslansgesellschaften mit tatsächlichem Inlandssitz, NJW 2005, 1618) – und es werden Gläubigerschutzmaßnahmen, an die unterschiedlich strenge Maßstäbe angelegt werden, durch den „Delaware Effekt“ ausgehebelt.

Mitgliedstaaten, in denen strengere Regelungen vorgesehen sind, könnten sich an die Rechtsordnungen annähern, die mildere Regelungen vorsehen, um durch das Herkunftslandprinzip entstehende Standortschwierigkeiten auszugleichen und dies führt schließlich zu einer Harmonisierung auf dem niedrigsten Niveau (Zankl, Zivilrecht 24, 91).

Dadurch ist die Gründung von Gesellschaften in Mitgliedstaaten mit „milden“ gesellschaftsrechtlichen Regelungen gegenüber der Gründung einer Gesellschaft in Mitgliedstaaten, welche einen für die Gründung einer Gesellschaft höheren Standard vorsehen, bevorzugt und dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen (Zankl, Bürgerliches Recht, 5. Auflage, Rz 273).

Die Sitztheorie, welche zwar durch die EuGH-Judikatur in den Schatten der Gründungstheorie getreten ist, besitzt jedoch – entgegen der teilweise in der Literatur (Geryhalter/Gänßler, DStR 2003, 2167) und Judikatur (OLG Hamm vom 26.05.2006, aufgehoben durch BGH vom 27.10.2008, II ZR 158/06) vertretenen Meinung – Nicht-EG-Mitgliedstaaten gegenüber immer noch Gültigkeit. Dies ist jedoch nicht die einzige Schlussfolgerung, sondern gilt es zu beachten, dass Österreich den Wegzug eigener Gesellschaften nicht dulden muss und es auch insofern bei der Sitztheorie bleibt.

Dementsprechend hat auch der BGH (NZG 2002, 1009) und das OLG Hamburg (Zwischenurteil vom 30.03.2007, DStR 2007, 868) bisher an der Sitztheorie festgehalten, als es um die Frage der Parteifähigkeit von Gesellschaften ging, die nach dem Recht von der direkt der britischen Krone unterstellten Insel Jersey gegründet wurden. Denn gem Art 355 Abs 6 lit c iVm den Beitrittsverträgen von 1972 kommt die Niederlassungsfreiheit auf Gesellschaften der Kanalinseln nicht zur Anwendung. Diesen Entscheidungen widerspricht jedoch das OLG Hamm (OLG Hamm vom 26.05.2006 und vom 12.09.2007; vgl hierzu weiter Jung, Anwendung der Gründungstheorie auf Gesellschaften schweizerischen Rechts? NZG 2008, 681), indem es sich für die Gründungstheorie ausspricht und auf ihrer Grundlage die Parteifähigkeit auch einer formal schweizerischen Gesellschaft bejaht. Diese Entscheidung wurde vom BGH (BGH vom 27.10.2008, II ZR 158/06) jedoch aufgehoben, welcher ausgesprochen hat, dass eine in der Schweiz gegründete AG mit Verwaltungssitz in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln ist. Somit sind auch in Deutschland Drittlandgesellschaften, auch wenn sie ihren Hauptverwaltungssitz und Geschäftssitz in Deutschland haben, weiterhin nach der Sitztheorie zu beurteilen (Vgl hierzu ausführlich Wachter, GmbHR 2009, 138; Jung, NZG 2008, 681; Kieninger, NJW 2009, Heft 5).

3. Ein weiteres Beispiel soll die unterschiedlichen Konsequenzen der Sitzverlegung einer Gesellschaft in/von einem „Gründungsstaat“ in/von einem „Sitzverlegungsstaat“ veranschaulichen:

Es sind grundsätzlich sechs Varianten denkbar: 

-) Die erste Variante ist, dass eine Gesellschaft, die in einem „Gründungsstaat“, also einem Staat welcher der Gründungstheorie folgt, gegründet wurde, ihren Sitz in einen Sitzstaat, einem Staat welcher der Sitztheorie folgt, verlegen möchte. Es verhält sich hierbei wie im oben bereits ausgeführt, eine in GB gegründete Ltd möchte ihren Sitz nach Österreich verlegen. Dies ist, unter den bereits dargestellten Voraussetzungen zulässig.

-) Die zweite Variante besteht darin, dass eine in einem „Sitzstaat“ gegründete Gesellschaft in einen „Gründungsstaat“ verlegen möchte. Hier kann es jedoch zu Problemen kommen, insbesondere durch Wegzugsbeschränkungen. Verhält es sich also genau umgekehrt, dass eine in Österreich gegründete GmbH ihren Sitz nach GB verlegen möchte, so kann es ihr passieren, dass sie an der Grenze „ablebt“. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es – wie bereits mehrfach dargestellt – dem Staat in dem die Gesellschaft gegründet wurde frei steht Regelungen vorzusehen, nach denen die Gesellschaft im Falle ihres Wegzugs aufgelöst wird. Österreich muss auch nach der bisherigen EuGH-Judikatur nicht den Wegzug von Gesellschaften ermöglichen (Rüffler, Europäisches Gesellschaftsrecht, 20f, vgl hierzu auch Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht³, 24). 

-) Als weitere Variante kommt die Konstellation in Frage, in der eine in einem „Sitztheoriestaat“ gegründete Gesellschaft in einen, ebenfalls der Sitztheorie folgenden, MS verlegen will. So möchte eine in Österreich gegründete Gesellschaft ihren Sitz nach Deutschland verlegen. Es verhält sich in diesem Fall so, wie in der zweiten Variante. Umgekehrt hingegen, ist die Verlegung des Gesellschaftssitzes einer in Deutschland gegründeten Gesellschaft nach Österreich, obwohl auch Deutschland der Sitztheorie folgt, seit Einführung des MoMiG möglich. 

-) Eine weitere sich anbietende Konstellation ist der Wegzug einer, in einem „Gründungsstaat“ gegründeten, Gesellschaft in einen andern „Gründungsstaat“. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich bereits, dass dies jedenfalls zulässig sein wird. 

-) Eine andere mögliche Fallkonstellation betrifft den Zuzug einer in einem Drittland gegründeten Gesellschaft. In diesem Fall bleibt es beim „Alten“, als nämlich der Zuzug durch § 10 IPRG verhindert wird (Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, insbesondere Wegzug österreichischer Gesellschaften ins Ausland, GeS 2004, 52ff).

-) Für den letzten denkbaren Sachverhalt, dass eine in Österreich gegründete Gesellschaft ihren Sitz in einen Drittstaat verlegen möchte, gelten die zur zweiten und dritten Variante dargestellten Ausführungen (abhängig davon ob es sich um einen „Sitzstaat“, oder „Gründungsstaat“ handelt).

4. 
Schlusswort:

Wie das Licht am Ende eines Tunnels erscheint in diesem Zusammenhang die Sitzverlegungsrichtlinie (14. [gesellschaftsrechtliche] Richtlinie; Vorentwurf der Kommission zu einer RL über die Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der EU vom 22.04.1997; ZIP 1997, 1721, ZGR 1999, 157), die eine rechtsvereinheitlichende und zur Rechtssicherheit beitragende Lösung für diese Problematik bietet. Denn während der Entwurf der SPE-VO lapidar auf mitgliedstaatliches Recht verweist, sah der seinerzeitige Entwurf der Sitzverlegungsrichtlinie auch einen ausreichenden Gläubigerschutzschutz ex ante vor. Solange durch das Sekundärrecht keine Harmonisierung erfolgt, müssen gesellschaftsrechtliche Regelungen idZ stets an der Niederlassungsfreiheit gemessen werden (Frobenius, DStR 2009, 490).

Auch ist selbst nach der bisherigen Rsp des EuGH eine umfassende innergemeinschaftliche Mobilität noch nicht erreicht. Dies insbesondere auch aufgrund der weiterhin zulässigen Wegzugsbeschränkungen, aber auch aufgrund des Umstands, dass nur eine tatsächliche, jedoch keine rechtliche Mobilität besteht. Dies ergibt sich daraus, dass zwar die Verlegung des Hauptverwaltungssitzes, nicht hingegen ein identitätswahrender Erwerb eines anderen Gesellschaftsstatuts möglich ist (Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 218).

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte bleibt auf eine rasche Realisierung und Umsetzung der Sitzverlegungsrichtlinie zu hoffen, mit welcher nicht nur für Rechtsvereinheitlichung, sondern auch Rechtssicherheit in Bezug auf die – gesellschaftsrechtliche – Niederlassungsfreiheit gesorgt wäre.