Der Rechnungslegungsanspruch gegen den verwaltenden Miteigentümer (OGH 12.6.2012, 4 Ob 75/12a)
§ 830 ABGB räumt jedem Miteigentümer einer gemeinschaftlichen Sache einen gegen den Verwalter gerichteten Anspruch auf Rechnungslegung und Verteilung des Ertrages ein. Die Pflichten des Verwalters sind in § 1012 ABGB geregelt. Der Verwaltungsvertrag gehört zur Gruppe der Bevollmächtigungsverträge und umfasst eine Geschäftsbesorgungs-, Treue-, Gehorsams-, und Herausgabepflicht (vgl. Schönhofer-Hammerl: „Die Haftung des Immobilien-Verwalters“, Manz immolex spezial, 2008; RZ 31ff).
Die Rechnungslegung wiederum ist untrennbar mit der Geschäftsbesorgung verbunden, weshalb der Anspruch gegenüber demjenigen besteht, der die Verwaltung führt. Es kann sich dabei entweder um einen verwaltenden Miteigentümer oder einen zur Verwaltung berufenen Dritten handeln.
Unter Rechnungslegung wird die Vorlage einer geordneten und genauen Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben verstanden. Der Umfang und Zweck der Rechnungslegung richtet sich nach der Verkehrssitte und den Umständen des Einzelfalls. Die Rechnungslegung soll dem Auftraggeber eine hinreichende Grundlage liefern, die Verwaltung nach Aspekten der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen (vgl. ebd.). Sie hat schriftlich und vollständig erfolgen, sodass die Vermögensbewegung innerhalb eines Zeitraumes nachvollziehbar wird.
Um dieser Pflicht inhaltlich zu entsprechen, hat die Rechnungslegung eine detaillierte Gesamtrechnung mit systematischer und übersichtlicher Gliederung der Einnahmen und Ausgaben unter Angabe des Verwendungszwecks zu enthalten, sodass ersichtlich ist, welcher Miteigentümer jeweils wann, wie viel bezahlt hat und wohin sein Geld geflossen ist. Eine bloße Auflistung der Einnahmen und Ausgaben genügt jedenfalls nicht.
Unter die Pflicht des § 830 ABGB fallen außerdem die vollständige Vorlage und Einsichtgewährung in Belege, die eine Überprüfung ermöglichen (SZ 14/19; Miet 35.629; ua.). Ein Ersetzen fehlende Belege etwa durch (händische) Vermerke befreit nicht von der Rechnungslegungspflicht (vgl. Schönhofer-Hammerl: „Die Haftung des Immobilien-Verwalters“, Manz immolex spezial, 2008; RZ 33).
Der Anspruch auf Rechnungslegung leitet sich direkt aus dem Gesetz ab und bezieht sich auf Erträge und Aufwendungen der gesamten gemeinschaftlichen Sache.
Er steht grundsätzlich am Schluss jeder Verwaltungsperiode zu, wobei § 830 ABGB keinen fixen Endtermin vorsieht. Im Streitfall hat der Richter den Termin der Abrechnung zu bestimmen. Anders ist dies in § 34 Abs 1 WEG geregelt, wonach innerhalb von 6 Monaten nach Ende der laufenden Abrechnungsperiode der Rechnungslegungsanspruch fällig wird. Grundsätzlich ist jährlich abzurechnen. Es kann aber auch die Legung von zwei Halbjahresabrechnungen ausreichend sein, wenn die Übersichtlichkeit darunter nicht leidet und sich die Miteigentümer durch einfache Summierung der Halbjahresrechnungen eine Jahresübersicht verschaffen können (5 Ob 17/79).
Die Rechnungslegungspflicht ist eine Schickschuld (vgl. RdW 1993,39: OGH 13.10.1992, 5 Ob 1049/92; wobl 1992, 121, 1 Ob 126/98f.) und hat gegenüber jedem Miteigentümer individuell zu erfolgen. Eine öffentliche Auflegung im Haus oder das bloße Überlassen von Belegen zur Einsicht genügt jedenfalls nicht (vgl. Faistenberger – Barta – Call, 457; SZ 49/74). Vielmehr hat jeder Miteigentümer Anspruch auf Übermittlung eines Exemplars, selbst wenn es sich um eine bloß einmal für das gesamte Objekt ausgearbeitete Rechnungslegung handelt (RS0019453). Der damit verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand muss, soweit er unbedingt erforderlich ist, in Kauf genommen werden (5 Ob 17/79).
Mit BGBl I Nr. 58/2004 hat der Gesetzgeber durch § 838a ABGB normiert, dass Rechtsstreitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache „unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ (vgl. § 383a ABGB) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sind. Diese vordergründig klare gesetzliche Regelung bereitet in der Praxis erhebliche Auslegungsschwierigkeiten. Dies ist den nachstehend angeführten Judikaten des OGH, welcher nunmehr Abgrenzungskriterien bietet, zu entnehmen:
Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden (z.B. Besitzstörung – Schadenersatz – Bereicherungsanspruch) und die Teilung der Miteigentümergemeinschaft können der aktuellen Rechtsprechung des OGH folgend nur im streitigen Verfahren durchgesetzt werden (8 Ob 111/11y). Ansprüche der Miteigentümer gegen einen anderen Miteigentümer, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen hat, sind im Außerstreitverfahren durchzusetzen. (4 Ob 56/09b; 7 Ob 204/07m).
In der Entscheidung 4 Ob 96/09b hat der OGH ausgesprochen, dass der aus der Abrechnung des verwaltenden Miteigentümers resultierende Ersatzanspruch betreffend den anteiligen Aufwand der mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten gegenüber einem anderen Miteigentümer eine im Verfahren außer Streitsachen zu entscheidende Streitigkeit im Sinne des § 838a ABGB ist.
Der OGH hat nunmehr eine weitere Klarstellung vorgenommen und zum Rechnungslegungsanspruch gegen den verwaltenden Miteigentümer entschieden (OGH 12.6.2012, 4 Ob 75/12a):
Im konkreten Fall handelt es sich um im Miteigentum zweier Miterben stehende Aktien, für welche ein Rechnungslegungsanspruch gegen den verwaltenden Miteigentümer vorerst im Klageweg geltend gemacht wurde. Einer der Erben ist als verwaltender Miteigentümer zur Rechnungslegung – vor allem bezüglich der Einkünfte aus den Aktien und aus dem (zum Teil) an deren Stelle getretenen Verkaufserlös – verpflichtet.
Vorerst prüfte der OGH, ob ein Anspruch auf Rechnungslegung überhaupt gegeben ist und klärte in diesem Zusammenhang das Verhältnis des Art XLII Abs. 1, erster Fall EGZPO zu § 830 ABGB.
Gemäß Art XLII Abs. 1, erster Fall EGZPO kann derjenige, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, durch Urteil dazu bewegt werden, diese Auskunft zu erteilen sowie einen Eid darüber zu leisten, dass die Angaben richtig und vollständig sind. Diese Bestimmung begründet keinen neuen materiellrechtlichen Anspruch, sondern setzt eine bereits bestehende bürgerlich rechtliche Verpflichtung zur Rechnungslegung voraus.
Art XLII Abs. 1, erster Fall EGZPO beschränkt die Geltendmachung der Rechnungslegungspflicht allerdings auf jene Fälle, in denen ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit „erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können“ geltend gemacht werden kann und dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist.
Die Anwendung des Art XLII Abs. 1, erster Fall EGZPO wurde vom OGH in Bezug auf den gegenständlichen Fall verneint, da dies nach vorliegender Rechtsprechung (4 Ob 104/11i) nur auf Fälle zutrifft, in denen sich der Anspruch auf Rechnungslegung erst aus der Auslegung der materiellrechtlichen Grundlage des Leistungsanspruchs ergibt. Da sich der Rechnungslegungsanspruch gegen den verwaltenden Miteigentümer direkt aus dem Gesetz ableitet, ist er nur im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung zu verneinen und besteht im konkreten Fall jedenfalls. Die Geltendmachung an sich stellt eine gesonderte Problematik dar.
Der aus dem Gesetz (§830 S 1 ABGB) abgeleitete Rechnungslegungsanspruch gegen den verwaltenden Miteigentümer betrifft zweifellos „unmittelbar“ Rechte und Pflichten aus der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache iSd. § 838a ABGB, sodass hierüber im Außerstreitverfahren zu entscheiden ist. (vgl. auch 7 Ob 204/07m). Im gegenständlichen Fall machte die Antragstellerin den Rechnungslegungsanspruch gegen den die Aktien verwaltenden Miterben klageweise im Zivilprozess geltend. Während dem Begehren vom Erstgericht stattgegeben wurde, hob das Berufungsgericht das Verfahren als nichtig auf und deutete die Klage gem. § 40a JN als verfahrenseinleitenden Antrag im Außerstreitverfahren um.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts, dass über den gegenständlichen Anspruch im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei.
Der Grund für die Verlegung ins Außerstreitverfahren liegt darin, dass in Miteigentumsstreitigkeiten oft rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen, welche nicht mit dem strikten Zwei-Parteien-System des Zivilprozesses vereinbar sind. Rechnungslegungsansprüche gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörigen dritten Verwalter sind jedoch weiterhin im Prozessweg geltend zu machen. Die Unterscheidung wird damit begründet, dass ein Miteigentümer, der gleichzeitig Verwalter ist, bei Streitigkeiten über seine Verwaltertätigkeit in aller Regel auch über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, im Miteigentumsverhältnis wurzelnde Eigeninteressen vertritt, die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stehen (7 Ob 204/07m).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Richtet sich der Anspruch gegen einen verwaltenden Miteigentümer, so ist dieser im außerstreitigen Rechtsweg geltend zu machen und nur im Falle missbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen. Über den Rechnungslegungsanspruch gegen einen außenstehenden Verwalter ist hingegen weiterhin im Zivilprozess zu entscheiden.
Der Rechnungslegungsanspruch gem. § 830 ABGB verjährt in 30 Jahren ab Ende der Abrechnungsperiode (vgl. Gamerith in Rummel, ABGB, 3. Auflage, § 830, RZ 1).