Neuerungen im Privatinsolvenzrecht (aus Gläubigersicht)
Nach kontroversieller Diskussion konnte schließlich eine Einigung des Gesetzgebers über die ab 1. November 2017 geltenden Gesetzesänderungen der Insolvenzordnung (IO) gefunden werden. Wesentliche Änderungen aus Gläubigersicht stellen sich wie folgt dar:
1. Was bisher schon Praxis war, wurde in § 193 IO nunmehr gesetzlich klargestellt: Der Schuldner kann bereits zeitgleich mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Abschluß des Zahlungsplanes beantragen.
2. Der aus Gläubigersicht wichtige § 193 Abs. 2 IO ist unverändert geblieben: Verhandlung und Beschlußfassung über den Zahlungsplan eines Schuldners darf nicht vor Verwertung seines Vermögens stattfinden. Damit gilt weiterhin: Ein verwertbares Vermögen des Schuldners muß vor Abstimmung über den Zahlungsplan verwertet werden; dadurch kommt es für die Gläubiger einerseits aus der Verwertung des Vermögens zur Schlußverteilungsquote und andererseits zu den Zahlungen aus dem Zahlungsplan des Schuldners.
3. Soll das Vermögen des privaten Schuldners nicht zur Verwertung gelangen, dann muß der Schuldner den Insolvenzgläubigern weiterhin eine mindestens 20 %ige Sanierungsplanquote gemäß § 141 IO anbieten; die begünstigte Zahlungsfrist für natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben, kann von 2 auf 5 Jahre ausgedehnt werden. Diese Regelungen sind unverändert geblieben.
4. Für den Schuldner der über pfändbares Einkommen verfügt sind die Voraussetzungen für den Zahlungsplan gemäß § 194 Abs. 1 und 2 IO unverändert geblieben: Der Schuldner muß den Insolvenzgläubigern mindestens eine Quote anbieten, die seiner Einkommenslage in den folgenden 5 Jahren entspricht; die Zahlungsfrist darf 7 Jahre nicht übersteigen. Der Schuldner mit einer relevanten Einkommenshöhe (mit pfändbaren Lohn- oder Gehaltsbestandteilen) kann also weiterhin nicht direkt in das Abschöpfungsverfahren; der Schuldner muß seinen Gläubigern weiterhin einen Zahlungsplan mit einer Mindestquote anbieten, die seiner Einkommenslage in den folgenden fünf Jahren entspricht.
5. Der neugeschaffene § 194 Abs. 1 Satz 3 IO bringt hingegen für Schuldner mit extrem niedrigem Einkommen wesentliche Erleichterungen: Bezieht der Schuldner in den folgenden 5 Jahren voraussichtlich kein pfändbares Einkommen oder übersteigt dieses das Existenzminimum nur geringfügig, braucht er keine Zahlung für einen Zahlungsplan anbieten, womit im Ergebnis der (direkte) Weg ins Abschöpfungsverfahren eröffnet wird.
6. Da eine Restschuldbefreiung nur redlichen Schuldnern offen stehen soll, wird das Einleitungshindernis auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens um § 201 Abs. 1 Zif. 2a IO erweitert: „… wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens nicht eine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt hat oder wenn er ohne Beschäftigung war, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit abgelehnt hat …“.
Ebenso wurde in § 210 Abs. 1 Zif. 5a die Obliegenheit des Schuldner gesetzlich verankert „dem Gericht und dem Treuhänder zu den vom Gericht festgelegten Zeitpunkten mindestens einmal im Jahr Auskunft über seine Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit zu erteilen, wen er keinen, einen unpfändbaren oder keinen den unpfändbaren Freibetrag übersteigenden Bezug hat; unterbleibt die Auskunft, so hat das Gericht dem Schuldner eine Nachfrist von zwei Wochen einzuräumen um die Auskunft zu erteilen …“.
Wie bisher kann es gemäß § 211 IO auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zur vorzeitigen Einstellung des Abschöpfungsverfahrens kommen; dies gilt gemäß § 211 Abs. 1 Zif. 2 IO insbesondere dann, wenn der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gelte aber dann nicht, wenn dem Schuldner kein Verschulden trifft. Im Sinne der neugeschaffenen Obliegenheit des Schuldners gemäß § 210 Abs. 1 Zif. 5a IO (siehe oben) besteht für den Insolvenzgläubiger die Möglichkeit, die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens zu beantragen, wenn die Obliegenheit (dem Gericht Auskunft über die Bemühungen um Erwerbstätigkeit zu geben) verletzt wird.
7. Gemäß § 213 IO hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren, das nicht eingestellt wurde (siehe oben), nach Ende der Laufzeit für beendet zu erklären und die Restschuldbefreiung zu erteilen. Der gefundene Kompromiß der „Laufzeit“ beträgt nun 5 Jahre. Während nach der alten Rechtslage eine Mindestquote von 10 % erzielt werden mußte, entfällt nunmehr – und dies ist aus Gläubigersicht die massivste gesetzliche Änderung – eine Mindestquote; eine Restschuldbefreiung ist also auch bei einer „Null-Quote“ denkbar.
8. Aus Gläubigersicht wesentlich ist, daß die „Sperrfrist“ für ein neuerliches Abschöpfungsverfahren gleich geblieben ist: Gemäß § 201 Abs. 1 Zif. 6 IO ist der Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens abzuweisen, wenn vor weniger als 20 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Abschöpfungsverfahren gegen den Schuldner eingeleitet worden war.