200 km/h mit dem Motorrad auf privater Rennstrecke: Gefahr des täglichen Lebens? (OGH vom 25.01.2017, 7 Ob 192/16k)

Der Kläger hat beim beklagten Versicherungsnehmer  einen Haushaltsversicherungsvertrag unter Einschluss einer Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen. Seit mehreren Jahren benutzt er sein Straßenmotorad mit 180 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h bei Motorradveranstaltungen auf privaten Rennstrecken. Während einer Motorradveranstaltung versagten die Bremsen des Motorrades bei etwa 150 km/h und er verursachte einen Auffahrunfall mit einem anderen Teilnehmer, der verletzt und sein Motorrad beschädigt wurde. Der Kläger ersetzte ihm den Schaden iHv EUR 20.000. Außerdem entstanden dem Kläger außergerichtliche Kosten von über EUR 5.000.  Mit der Argumentation, dass Gefahren des täglichen Lebens und die nicht berufsmäßige Sportausübung von den Versicherungsbedingungen der Beklagten erfasst sind, es sich also um einen „Freizeitunfall“ handelte, begehrte der Kläger von seiner Privathaftpflichtversicherung die Zahlung des Schadensbetrages iHv EUR 25.452,37.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Das schnelle Fahren auf einer Rennstrecke mit einem Motorrad zähle nicht zur gewöhnlichen Sportausübung und sei nicht mehr als Gefahr des täglichen Lebens anzusehen.  Wichtig für den Sachverhalt ist, dass es sich nicht um ein privates „Motorradrennen“ sondern um ein „Freies Fahren“ mit Zeitmessung gehandelt hat.

Der Oberste Gerichtshof teilt die Ansicht der Unterinstanzen nicht.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers. Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die diesbezüglichen Formulierungen stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (OGH 7Ob95/12i).

Die Gefahr haftpflichtig zu werden stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann (RIS-Justiz RS0081276).

Nach Art 7 ZGWP 2010 erstreckt sich der Versicherungsschutz neben den Gefahren des täglichen Lebens „insbesonders“ auf die nicht berufsmäßige Sportausübung. Nur die Jagd wird vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgenommen. Es muss daher darauf geschlossen werden, dass alle anderen Tätigkeiten von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als Sport betrachtet werden und daher vom Versicherungsschutz umfasst sind (OGH 7 Ob 171/14v). Die Ausübung eines Sportes, wenn sie nicht berufsmäßig erfolgt, dient der Erholung oder der körperlichen Ertüchtigung und wird als Freizeitbeschäftigung oder als Hobby ausgeübt und gehört als solche einschließlich der Vorbereitungshandlungen grundsätzlich dem privaten Bereich an (RIS-Justiz RS0081189).

Es wird Motorradfahrer freuen zu hören, dass der OGH ausdrücklich konstituiert: „Das Motorradfahren ist in Österreich beliebt; demgemäß ist auch der Motorradrennsport eine gebräuchliche Sportart.“ (OGH 7Ob192/16k). Er meint dies im Übrigen auch zum Tontaubenschießen (vgl. OGH 7 Ob 1/92). Auch hier sei zu bejahen, dass das Tontaubenschießen in Österreich eine übliche Sportart ist und daher nicht dem Begriff der Jagd – welche vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgenommen ist – zuzuordnen ist. Auch die Mitgliedschaft in einem Jagdverein ändert nichts an der Tatsache, dass bei privater Sportausübung die sportliche Betätigung einschließlich der Vorbereitungshandlungen vom Versicherungsschutz umfasst ist.

Der Oberste Gerichtshof kam daher zu dem Schluss, dass Trainingsfahrten auf einer abgeschlossenen Rennstrecke zur Sportausübung und damit zu den versicherten Gefahren des täglichen Lebens gehören. Angemerkt wird, dass es in der privaten Unfallversicherung anders als in der Haushaltsversicherung im Regelfall jegliche Motorsportausübung ausgeschlossen ist.