Die Rechte von Fluggästen bei Flugstreichungen wegen des Corona-Virus

Immer mehr Grenzen werden aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen, der Flugverkehr wurde vorübergehend fast zur Gänze eingestellt. Viele Fluggesellschaften bieten ihren Fluggästen eine kostenlose Umbuchung ihrer Flüge an, sofern die Reise bis Ende des Jahres angetreten wird. Für die meisten ist diese „Kulanzlösung“ allerdings wenig zufriedenstellend; einerseits, weil das Ende der Pandemie nicht vorhersehbar ist, andererseits, da derzeit viele um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen und die Urlaubsplanung daher nicht oberste Priorität hat. Die momentane allgegenwärtige Unsicherheit lässt unter anderem auch die Fragen aufkommen: Sind die Angebote der Airlines bei Flugannullierungen gesetzeskonform? Welche Rechte haben Reisende bei Flugausfällen wegen des Corona-Virus?

Europäische Fluggäste genießen besonderen Schutz der EU-Verordnung 261/2004 („Fluggastrechte-Verordnung“), welche die Mindestrechte der Passagiere im Falle der Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung von Flügen regelt. Die Fluggastrechte-Verordnung legt fest, welche Unterstützungs- und Entschädigungsleistungen Fluggesellschaften gegenüber ihren Fluggästen zu erbringen haben. Die Fluggastrechte-Verordnung greift bei allen innerhalb der EU startenden Flügen, unabhängig davon, wo die ausführende Fluggesellschaft ihren Sitz hat. Außerdem ist sie bei allen in der EU landenden Flügen aus Drittstaaten anwendbar, vorausgesetzt, dass das Luftfahrtunternehmen seinen Sitz in der EU hat.

Bei einer Flugannullierung hat der Passagier gemäß Artikel 5 iVm Artikel 8 der Fluggastrechte-Verordnung grundsätzlich die Wahl zwischen der Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen, der anderweitigen Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes. Neben der Erstattung der Kosten von Mahlzeiten und Erfrischungen sowie der Hotelkosten für den Fall, dass der neue Flug nicht am selben Tag durchgeführt wird, hat der Fluggast gemäß Artikel 7 der Fluggastrechte-Verordnung auch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zwischen EUR 250 und EUR 600.

Eine Entschädigung bzw. Ausgleichsleistung entfällt allerdings dann, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist und der Flugausfall nicht durch zumutbare Maßnahmen vermieden hätte werden können. Außergewöhnliche Umstände sind solche, die vom Luftfahrtunternehmen nicht zu beherrschen sind, wie etwa politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen, Naturkatastrophen oder Streik. Eine Ausgleichsleistung entfällt weiters etwa dann, wenn der Fluggast mindestens zwei Wochen vor dem planmäßigen Abflug über die Annullierung informiert wurde.

Daraus folgt:

Im Falle einer Flugannullierung durch ein Luftfahrtunternehmen aufgrund des Corona-Virus hat der Fluggast die Wahl, die vollständige Erstattung des Flugtickets (Rückzahlung) oder eine anderweitige Beförderung (Umbuchung) zu verlangen. Die EU-Kommission hat in den jüngst veröffentlichten Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen über Passagierrechte vom 18.03.2020 festgehalten, dass dieses Wahlrecht des Fluggastes selbst für den Fall, dass das Luftfahrtunternehmen dem Reisenden einen Gutschein anbietet, unberührt bleibt.

Ob darüber hinaus ein Entschädigungsanspruch besteht, muss im Einzelfall beurteilt werden. Wurde der Fluggast mindestens zwei Wochen vor dem Abflug über die Annullierung informiert, besteht keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung. Hinsichtlich der Auslegung des Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechte-Verordnung („außergewöhnlichen Umstände“) hat die EU-Kommission klargestellt, dass Maßnahmen, die die Behörden zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ergreifen, ihrer Art und Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit von Beförderern und von diesen tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Nach Auffassung der Kommission liegt ein außergewöhnlicher Umstand demnach bereits dann vor, wenn Behörden bestimmte Flüge entweder von Rechts wegen verbieten oder den Personenverkehr in einer Weise untersagen, die de facto die Durchführung des betreffenden Flugs ausschließt. Wurde der Flug daher aufgrund einer Grenzschließung oder offiziellen Reisewarnung gestrichen, dann liegt die Annullierung außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft.

Zusammengefasst bedeutet das, dass die Fluggesellschaft dem Fluggast auf Verlangen die Kosten des Flugtickets zurückzahlen muss; ein darüber hinausgehender Entschädigungsanspruch wird aufgrund der aktuellen Situation jedoch ausscheiden.

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