Auch im Individualprozess: Bei vorzeitiger Kreditrückzahlung keine Kürzung von nicht-laufzeitabhängigen Kosten (Anmerkungen zu OGH 10 Ob 6/23i)

Nach der erstmals in einem Individualprozess (und nicht in einem Verbandsprozess) ergangenen Entscheidung 10 Ob 6/23i des Obersten Gerichtshofes kann die Rechtslage als gesichert und unionsrechtskonform angesehen werden, dass bei vorzeitiger Kreditrückzahlung laufzeitunabhängige Kosten nicht verhältnismäßig zu kürzen sind: Dazu zählen Bearbeitungsentgelte, Kosten für die Bewertung der Immobilien, Eingabegebühren und Pfandrechtseintragungsgebühren im Grundbuch, allenfalls Verwaltungskostenbeitrag und Bearbeitungsgebühr (u.a.). Hingegen stellen Lebensversicherungsprämien laufzeitabhängige und daher anteilsmäßig zu verringernde Kosten dar.

Zur Historie der Rechts- und Judikaturentwicklung:

§ 20 Abs 1 HIKrG lautete in der bis 31.12.2020 anzuwendenden Fassung:

Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zT oder zG zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrages samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und ggf entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“

Diese Bestimmung trat mit 21.03.2016 in Kraft und war auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 20.03.2016 geschlossen bzw. gewährt wurden (§ 31 Abs 1 HIKrG).

In C-383/18 Lexitor sprach der EuGH aus (Rn 36), Art 16 Abs 1 VKrRL sei dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten betreffen würde.

Mit BGBl I 2021/1 strich der Gesetzgeber aufgrund dieser Entscheidung nicht nur in § 16 Abs 1 VKrG, sondern auch in § 20 Abs 1 HIKrG (jeweils) im letzten Satz das Wort „laufzeitabhängige“. Hintergrund war die Überlegung, dass § 16 Abs 1 VKrG bei vorzeitiger Rückzahlung nur eine Verringerung der laufzeitabhängigen Kosten vorsehe, was nach Lexitor zu einschränkend sei (RV 478 BlgNR 27. GP 2). Aufgrund der beinahe wortgleichen Vorgaben sei auch § 20 HIKrG entsprechend geändert [worden] (RV 478 BlgNR 27. GP 4). § 20 Abs 1 HIKrG idF dieser Novelle trat mit 01.01.2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 geschlossen bzw. gewährt werden (§ 31 Abs 5 HIKrG).

Der EuGH hat in C-555/21 die vom OGH zu 5 Ob 66/21y gestellte Vorlagefrage wie folgt beantwortet:

Art 25 Abs 1 WIKrRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.“

In OGH 10 Ob 6/23i hat der Oberste Gerichtshof erstmals in einem Individualprozess zwischen Kreditnehmer und Bank zur Frage der Kürzung von (nicht) laufzeitabhängigen Kosten nach § 20 HIKrG aF Stellung genommen; dies mit dem eingangs dargestellten Ergebnis.

Leave a Reply