Die neue „Mietpreisbremse“ für Kategorie- und Richtwertmietzinse

Das 4. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz – 4. MILG BGBl.

„JETZT DAS RICHTIGE TUN FÜR ÖSTERREICH“*

Die Bundesregierung hat mit großer Eile die Mietpreisbremse für Kategorie- und Richtwertmietzinse, den „Mietpreisdeckel“ aus dem 3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz (3. MILG), fortgeschrieben. Das 3. MILG ist am 31.12.2023 in Kraft getreten und hat angeordnet, dass die Erhöhung der Kategoriemietzinse, die Richtwertmietzinse und die Erhaltungsbeiträge im Gemeinnützigen Wohnbaugesetz erst wieder am 01.04.2025 eine jährliche Wertanpassung erfahren sollen. Vorgesehen war also eine vorläufige Aussetzung der Wertsicherung für eine eingeschränkte Gruppe von Mietverträgen. Das 3. MILG hatte die klare Intention, eine Verlangsamung der Weitergabe der inflationsbedingten Teuerung an Mieterinnen und Mieter zu bewirken. Dieser Mietendeckel aus dem Jahr 2023 hat nicht alle Mietverträge umfasst. Jene Mietverträge, die dem angemessenen oder dem sogenannten „freien“ Mietzins unterliegen bzw. in welchem Wertsicherungsvereinbarungen unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindex mietvertraglich vereinbart wurden, waren nicht erfasst. Die Mietpreisbremse bzw. der Mietzinsdeckel für eine eingeschränkte Gruppe von Mietern hat – wie die Erfahrung des Vorjahres zeigt – keine Auswirkungen auf die Inflation, die Teuerung selbst. Die Inflation konnte durch diese Maßnahme also nicht gemildert werden und ist insoweit das gesetzgeberische Vorhaben erfolglos geblieben. Auf Basis des 3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes wären die nächsten inflationsbedingten Mietzinsanhebungen mit 01.04.2025 eingetreten, es war also Eile geboten. Es wäre ohne gesetzgeberischen Eingriff zu einer Valorisierung der Kategoriebeträge (um 4,2%) und der Richtwerte (um 2,9%) per 01.04.2025 gekommen. Viele Mieterinnen und Mieter, welche beispielsweise den VPI 2000 vereinbart haben, haben in den letzten Tagen rechtzeitig zum nächsten Mietzinsfälligkeitstermin April von ihren Hausverwaltungen Indexanhebungsschreiben erhalten. Dies sollte bei der hier vorliegenden Gruppe an Mietverhältnissen verhindert werden. Das 4. MILG sieht nun ein weiteres Mal ein Aussetzen der Wertsicherung vor, die letzte Erhöhung fand somit bei den Richtwerten am 01.04.2023 und bei den Kategoriebeträgen am 01.07.2023 statt¹. Wie bereits das 3. MILG ist auch das 4. MILG ein Gesetzestext von Experten für Experten. Gemessen an den höchstgerichtlichen Kriterien der Transparenz im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG ist den Legisten keine einfach nachvollziehbare sprachlich klare Regelung gelungen. Wir wollen den Legisten allerdings zugutehalten, dass komplizierte Sachverhalte auch kompliziert geregelt werden dürfen². Die Regelungen treten mit 01.04.2025 in Kraft. Die Bedeutung der Mietenbremse ist nicht bloß auf die Neuabschlüsse von Kategorie-D-Verträgen oder Mietverträgen, welche dem Richtwertmietzins unterliegen, beschränkt. Das Regulativ ist auch in Ansehung des § 16 Abs 9 Satz 1 MRG relevant. Durch die Wertsicherung darf bekanntlich kein höherer Mietzins erzielt werden, als dies in Anbetracht der konkreten Mietverhältnisse im Neuabschlusszeitpunkt zulässig wäre³. Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm „JETZT DAS RICHTIGE TUN für Österreich“ ab den Seiten 58 und in der Überschrift „Inflationsbekämpfung und Wohnen“ sowie „leistbares Wohnen“ große politische Ziele formuliert:

            „Das Leben in Österreich muss für die Menschen leistbar sein. Es wurden bereits zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft gesetzt. Die Bekämpfung der Teuerung mit wirksamen Instrumenten und klaren Maßnahmen bleibt eine politische Priorität der Bundesregierung. Neben dem Kampf gegen Teuerung wird die österreichische Bundesregierung ebenso Vorkehrungen treffen, um in Krisenzeiten die Inflation in Österreich möglichst gering zu halten. Leistbare und faire Preise ua bei Mieten sowie Eigentumserwerb, Lebensmittel und Energie sind für die Menschen und Unternehmen in unserem Land von zentraler Bedeutung.“

Der Zielkatalog der Bundesregierung liest sich bei der klar beabsichtigten Herstellung der Rechtssicherheit und der Senkung der Wohnkosten zur Sanierung mangelhafter und bestehender Wertsicherungsvereinbarungen ambitioniert. Die Idee, einen neuen Index für Wohnraumvermietungen zu schaffen, die Rückforderungen von Mietzinszahlungen aufgrund rechtsunwirksamer Wertsicherungsvereinbarungen und Hauptmietzinsanpassungsvereinbarungen mit 5 Jahren zu begrenzen und sogar einen Mustermietvertrag durch das Bundesministerium für Justiz⁴ auszuarbeiten, klingt phantasievoll, optimistisch und macht Hoffnung. Das hier vorliegende 4. MILG wird allerdings für sich genommen keine taugliche Maßnahme gegen die „Teuerung“. Das 3. MILG konnte die Inflation nicht verlangsamen. Zu bezweifeln ist, dass es dem 4. MILG gelingen wird.


* Das ist der Titel des Regierungsprogramms der aktuellen Bundesregierung 2025

[1] Der OGH hat in einem Verbandsprozess der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu 8 Ob 37/23h zu Recht erkannt, dass eine Wertsicherungsklausel, die die Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses nach Maßgabe der in § 5 vorgesehenen Wertsicherung (Neufestsetzung) der Richtwerte – ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Richtwertes – vereinbart, unzulässig ist. Neben der Zwei-Monats-Judikatur zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (2 Ob 36/23t) hat der OGH auch eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB konstatiert, da die „Erhöhung des Richtwertes auch darauf zurückzuführen sein kann, dass es schon in der Zeit vor Abschluss des Mietvertrages zu einem Anstieg des Preisniveaus gekommen ist, sodass eine nachträgliche Anhebung des auf dieser Grundlage vereinbarten Mietzinses insoweit auch sachlich nicht gerechtfertigt ist.“ In Ansehung der durch das 3. und 4. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz angeordneten „Mietpreisbremse“ und einer damit unterlassenen Anpassung des Richtwertes trotz tatsächlich höherer Inflation (Anpassung des Preisniveaus) erhält die zitierte Judikatur eine weitere Bedeutungsschwere.

[2] Der OGH akzeptiert mit der Entscheidung vom 28.08.2024 zu 7 Ob 105/24b unter Berücksichtigung der Judikatur zum Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG hochkomplexe Formulierungen eines „komplizierten Anlageproduktes“. Der Maßstab ist hier ein durchschnittlich verständiger, am Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit individuellem Asset Liability Modelling interessierter Verbraucher: „Die vom Versicherer gewählten Vereinfachungen sind daher der Verständlichkeit zuträglich. Sie sind ebenso wenig zu beanstanden, wie die Verwendung der einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wenig geläufigen Begriffe, es liegt dies hier doch in der Natur der Sache und ist dementsprechend unumgänglich.“ (OGH-Entscheidung vom 28.08.2024 zu 7 Ob 105/24b [29, 30]).

[3] Die durch die Mietzinsanhebung im Sinne des § 16 Abs 9 MRG ausgelöste Anhebung des Mietzinses kann selbstständig überprüft werden, und zwar unabhängig davon, ob die 3-Jahres-Frist für die Überprüfung des Mietvertrages bereits abgelaufen ist (RS0117892); die Frist beginnt, unabhängig davon, ob die 3-Jahres-Frist für die Überprüfung des Mietzinses bereits abgelaufen ist, erst mit dem Zeitpunkt, ab dem das Erhöhungsbegehren des Vermieters wirksam wird (5 Ob 131/14x, so jüngst auch der Zurückweisungsbeschluss 5 Ob 74/24d).

[4] Akademisch spannend wird die juristische Einordnung der Rechtsqualität eines ministeriellen Mustermietvertrages. Auch dieser wird zweifellos im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB und der einschlägigen konsumentenschutzrechtlichen Bestimmungen (§ 6 KSchG) überprüfbar sein.

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