Formvorschriften beim Schuldbeitritt – Änderung der Rechtsprechung

Nach bisheriger Rechtsprechung (FN 1) bestand für den Schuldbeitritt – anders als für die Bürgschaft, für welche schon immer ein Schriftformerfordernis vorgesehen war – Formfreiheit. Während dies von der älteren Lehre ebenfalls vertreten wurde (FN 2), lehnte dies die neuere Lehre (FN 3) fast einhellig ab. So wird, ausgehend von Koziol und Ertl, vertreten, dass bei einem Schuldbeitritt, der ausschließlich der Gutstehung dient, analog zur Bürgschaft ebenfalls Formpflicht besteht (FN 4).

Steter Tropfen höhlt den Stein:

Der OGH stellt zu 4 Ob 205/09i fest, dass es nach derzeit geltendem Recht ein nicht nachvollziehbarer Wertungswiderspruch sei, wenn zwar die Bürgschaft und – aufgrund analoger Anwendung von § 1346 Abs 2 ABGB – auch die Garantie (FN 5), nicht aber der Sicherungs- Schuldbeitritt der Schriftform bedürfe (FN 6).

Nach neuer, nunmehr geänderter Rsp ist es somit entscheidend unter welchen Voraussetzungen der Beitritt erfolgt. Eine analoge Anwendung der Formpflicht hängt davon ab, ob der Beitretende eine materiell fremde Schuld (wenn dem zahlendem Beitretenden ein Regressanspruch gegenüber dem ursprünglichen Schuldner erwächst) übernimmt, wobei hierbei das dem Gläubiger bekannte oder leicht erkennbare Innenverhältnis zwischen dem ursprünglichen und dem hinzutretenden Schuldner maßgebend ist. Es muss also danach gefragt werden, ob der Interzedent damit rechnen kann, die Schuld (wegen des Regressanspruchs) materiell nicht tragen zu müssen. Der Beitritt zu einer materiell fremden Schuld hat, auch wenn ein etwaiger Regressanspruch nicht durchsetzbar ist und dies für den Interzedenten sogar ersichtlich ist, schriftlich zu erfolgen.

All dies betrifft allerdings ausschließlich den Sicherungs-Schuldbeitritt, also wenn der Schuldbeitritt zu Sicherungszwecken erklärt wurde, da nur in diesem Fall die Schutzbedürftigkeit des Beitretenden mit dem eines Bürgen gleichzustellen ist. Ein etwaiges wirtschaftliches Eigeninteresse des Beitretenden hingegen ist zur Qualifikation als Sicherungs-Schuldbeitritt nicht entscheidend (FN 7).

Auch aus den Gesetzesmaterialien (FN 8) zu §§ 25c, 25d KSchG wird die Gleichstellung von Bürgschaft und Schuldbeitritt als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Gleichstellung ergibt sich auch schon aufgrund der Verfolgung des gleichen Zwecks, nämlich der Sicherstellung des Gläubigers und betrifft nicht nur Verbrauchergeschäfte, weshalb es auch außerhalb dieser zur analogen Anwendung der Formvorschriften kommt. Nachdem bereits im HaRÄG die Ausnahme (§ 350 HGB) von der Schriftform für Vollkaufleute ersatzlos gestrichen wurde, bedarf auch der Schuldbeitritt eines Unternehmers der Schriftform, analog zu § 1346 Abs 2 ABGB (FN 9).

Aus unserer Sicht sollten Sie nunmehr um eine wirksame Personalsicherheit zu erhalten, jedenfalls auch bei einem Schuldbeitritt  stets die Formvorschriften der Bürgschaft einhalten.

Fußnoten:
(FN 1) 2 Ob 287/51 = JBl 1952, 209; 5 Ob 772/79; 1 Ob 568/76 = SZ 49/53; 3 Ob 519/89 = JBl 1990, 323; 6 Ob 619/92 = ÖBA 1993, 819;  1 Ob 525/94 = wbl 1994, 378; 6 Ob 602/94; 1 Ob 605/95; 1 Ob 138/97v; 6 Ob 114/09x.
(FN 2) Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II/1 (1928) 276; Ohmeyer/Klang in Klang2 VI (1951) 209 FN 17; Mayrhofer, Das Recht der Schuldverhältnisse (1986) 114.
(FN 3) F. Bydlinski/P. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand (2001) 72; P. Bydlinski, Die Kreditbürgschaft im Spiegel von aktueller Judikatur und Formularpraxis2 (2003) 30; Harrer, Sicherungsrechte (2002) 44; Neumayr, Persönliche Sicherungsgeschäfte – Abgrenzungs- und Formfragen, in FS Honsell (2002) 481, 489 ff; Vollmaier,  Die Form des dreipersonalen Pfandverhältnisses, JBl 2005 (545) 551. Dehn, Die Formnichtigkeit von Rechtsgeschäften (1998) 58, 126, Gamerith in Rummel3 § 1347 Rz 3a, Mader/Faber in Schwimann3 § 1347 Rz 2; Schauer Handelsrechtsreform, Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64, 74 FN 92.
(FN 4) Koziol, Über den Anwendungsbereich des Bürgschaftsrechts, JBl 1964 (306) 311 ff; Ertl in Rummel1 (1984) § 1405 Rz 4.
(FN 5) 1 Ob 595/92 = Apathy, ÖBA 1993, 146; Wilhelm, Die neue Form der Garantie, ecolex 1993, 14 ff.
(FN 6) 4 Ob 205/09i dazu Faber/Lukas, JBl 2010,509 = ÖBA 2010,610/1650 (Apathy) – ÖBA 2010/1650 (Apathy) = EvBl-LS 2010/150 = ZFR 2010/142 S 223 – ZFR 2010,223 = ZIK 2010/300, 196 – ZIK 2010,196 = ecolex 2010/312, 853 – ecolex 2010,853 = RdW 2010/572, 570 – RdW 2010,570.
(FN 7) Faber/Lukas, JBl 2010 509 (514)
(FN 8) RV 311 BlgNR 20. GP 26
(FN 9) Im UGB bestehen keine vom ABGB abweichende Regelungen, welche die Formpflicht bei der Bürgschaft betreffen.