„Fertigstellung“ ist nicht als „Erhaltung“ im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 zu qualifizieren
Mit Entscheidung vom 27.11.2013 zu 5 Ob 136/13f nimmt der OGH wesentliche Klarstellungen zum bestandrechtlichen Dauerbrenner, dem Erhaltungsbegriff im Wohnungseigentumsrecht, vor. Er führt aus, dass das Begehren auf Fortsetzung und Abschluss der Fertigstellung einer sich weitgehend noch im Rohbau-Zustand befindlichen Wohnungseigentumsanlage nicht erfolgreich zum Gegenstand eines auf § 30 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 gestützten Begehrens gemacht werden kann, weil es sich dabei nicht um Erhaltungsarbeiten handelt.Im gegenständlichen Fall (5 Ob 136/13f) steht auf der Liegenschaft eine nicht fertiggestellte Wohnungseigentumsanlage im Bauzustand des Jahres 2009. Insbesondere die Allgemeinflächen, wie Stiegenhaus und Außenanlagen, befinden sich im Rohbau-Zustand. Um eine baubehördliche Benützungsbewilligung für das Haus zu erwirken, ist die Durchführung von Fertigstellungsarbeiten erforderlich. Die Antragstellerin begehrte gemäß § 30 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 WEG 2002, die Eigentümergemeinschaft zur Durchführung dieser Fertigstellungsarbeiten, nämlich Baumeister-, Fliesenleger-, Zimmermann-, Spengler- und Dachdeckerarbeiten, Herstellung der Heizungs- und Sanitär- sowie Elektroinstallation, Trockenbau-, Bautischler- und Malerarbeiten jeweils betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft, Herstellung der Außenanlage sowie der Abstellplätze samt Carport, einer Terrasse, einer Stiege zum Garten sowie bestimmter Balkone zu verpflichten. Der Anspruch der Antragstellerin wurde jedoch der Erfolg versagt. Im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 setzt Erhaltung immer einen bestehenden Mangel im Sinne einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit voraus. Im gegenständlichen Fall geht es jedoch nicht um die Beseitigung eines Mangels oder erheblichen Schadens eines fertiggestellten Werkes, sondern erst um die Fortsetzung und den Abschluss der Fertigstellung einer sich noch im Rohbau-Zustand befindlichen Wohnungseigentumsanlage. Der OGH nimmt damit eine sehr erfreuliche und offenbar längst notwendige Klarstellung vor. Mit Zurückweisungsbeschluss vom 12.06.1996 zu 5 Ob 2114/96k hat der OGH ohne näherem Eingehen in die Sache selbst klargestellt, dass die Kosten der Brauchbarmachung von Wohnungseigentumsobjekten nicht als Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 28 WEG 2002 bzw. der damals vergleichbaren Regelung des § 14 Abs. 1 Z 1 WEG 1975 gelten. Damals war dem OGH die Rechtssache so klar, dass er eine detaillierte Auseinandersetzung mit der zugrundeliegenden Sach- und Rechtsfrage nicht vornehmen musste, sondern das außerordentliche Rechtsmittel infolge eindeutig geklärter Rechtssache zurückgewiesen hat. Über die Jahre hat sich offenbar ein Auslegungsbedarf ergeben und hat der OGH nunmehr, auch gestützt auf den älteren Zurückweisungsbeschluss, ausgesprochen, dass die Bewertung, wonach „Fertigstellung“ nicht als „Erhaltung“ im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 zu qualifizieren ist, dem nach allen Auslegungsregeln zu gewinnendem Begriffsverständnis, dem Umfang der Verweisung auf § 3 MRG und den Lehrmeinungen entspricht.„Erhaltung“ bedeutet die Bewahrung des Bestands des Hauses. In diesem Sinn gehören zur Erhaltung nur Auslagen, die erforderlich sind, um das Haus unter Vermeidung jedes Luxusaufwands in seiner gegenwärtigen Gestalt zu seinem bisherigen Zweck zu erhalten, soweit es sich um dessen allgemeine Teile handelt. (Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 28 WEG, Rz 49). Zur ordnungsgemäßen Erhaltung zählt präzise gesagt, alles, was vernünftigerweise dazu diene, die Substanz zu wahren. Erhaltung bedeutet aber nicht, dass jegliche Veränderung an der Liegenschaft ausgeschlossen wäre. Auch bauliche Veränderungen zählen zur Erhaltung, soweit sie den Erhaltungszweck nicht übersteigen. Da wir von einem dynamischen und elastischen Erhaltungsbegriff ausgehen, gehören auch zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten an bestehenden Anlagen noch zur Erhaltung, selbst wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt. Die Kosten der erstmaligen Brauchbarmachung von Wohnungseigentumsobjekten zählen nicht zu den „Erhaltungsarbeiten“ im Sinne des Gesetzes.Da es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht um die Beseitigung eines – wenngleich mangelhaft – fertiggestellten Werks, sondern überhaupt erst um die Fortsetzung und den Abschluss der Fertigstellung einer sich weitgehend noch im Rohbau-Zustand befindlichen Wohnungseigentumsanlage handelt, ergibt sich, dass die Antragstellerin die bauliche Fertigstellung der allgemeinen Teile der Liegenschaft nicht erfolgreich zum Gegenstand ihres gestützten Begehrens machen kann.