Rundfenster vs. Langfenster (Änderungsrecht iSd § 16 Abs 1 Z 2 WEG, LG für ZRS Wien 40 R 227/15a)
Möchte ein Wohnungseigentümer Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekt vornehmen, bedarf dies der Zustimmung der anderen Miteigentümer, sofern deren Interessen beeinträchtigt werden könnten. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Interessen anderer Miteigentümer besteht nach stRsp schon dann, wenn Fenster geändert werden sollen, weil Fenster ein wesentliches Gestaltungselement der Fassade eines Hauses sind und ihre Änderung daher immer auch die äußere Erscheinung beeinträchtigen kann; außerdem gehören Fenster als Teil der Fassade zu den allgemeinen Teilen (der „Außenhaut“) eines Hauses, weshalb ein nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG zu beurteilendes Problem der Zulässigkeit einer Änderung nur durch die Zustimmung aller Miteigentümer oder Anrufung des Außerstreitrichters gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0083334).
Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller das ursprünglich als Geschäftsraum gewidmete Objekt zu einer Wohnung umgebaut und beabsichtigt, ein zusätzliches Fenster an der nordseitigen Hoffassade zu errichten, um die Lichtverhältnisse zu verbessern. Dazu wurde die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer im Jahre 1999 eingeholt. Tatsächlich wurde statt des Rundfensters jedoch ein Langfenster eingebaut.
Durch den Einbau des Langfensters kam es zu Schäden am Gebäude, der Fassade und in den Wohnungen (verklemmte Fensteröffnungen, Rissbildung, etc), weshalb von der Antragsgegnerin die nachträgliche Zustimmung zum Einbau des Langfensters – durch Unterfertigung eines Einreichplanes – verweigert wurde, woraufhin der Antragsteller das Außerstreitgericht anrief.
Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab. Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Geschäftszahl 40 R 227/15a keine Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes (rechtskräftig) bestätigt.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht führte dazu aus wie folgt:
„Nach § 16 Abs 1 Z 1 WEG darf die Änderung an einem Wohnungseigentumsobjekt weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Werden für eine solche Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (§ 16 Abs 2 Z 2 Satz 1 WEG). Die Beurteilung, ob eine Änderung zu genehmigen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS-Justiz RS0083309). Für das Vorliegen eines wichtigen Interesses kommt es insbesondere darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (5 Ob 150/14s). Nicht jeder verständliche Wunsch eines Wohnungseigentümers nach Änderung begründet ein wichtiges Interesse (RIS-Justiz RS0083341). Die Wichtigkeit des Interesses ist in Relation zum Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Teile zu beurteilen (5 Ob 24/08b mwN). Die Verkehrsüblickeit einer Änderung ist nicht nur nach der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch nach der Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines Umfelds zu beurteilen (5 Ob 157/15x). Dabei kommt es bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standard abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfeldes, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie das Ausmaß der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (RIS-Justiz RS0126244, jüngst 5 Ob 39/15v).
Der Antragsteller versucht zu argumentieren, es käme bei der Beurteilung der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Wohnungseigentümer nicht auf die möglichen Folgen der baulichen Umsetzung an und führt aus, dass eine Beeinträchtigung des Hauses in der Vergangenheit einer Bewilligung nach § 16 WEG nicht entgegenstehe. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts sei die Frage der Zustimmung zur gewünschten Änderung nicht an einem Zustand „ohne Fenster“ zu messen, sondern am bestehenden Konsens, also an jenem Zustand der bei Einbau eines Rundfensters vorliegen würde. Zudem stütze der Antragsteller sein Begehren nicht nur darauf, dass der Einbau des Langfensters an sich verkehrsüblich sei, sondern auch darauf, dass das Abgehen von einer von der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer getragenen Baumaßnahme aufgrund bautechnischer Notwendigkeiten verkehrsüblich sei.
Der Rekurswerber verkennt, dass vorliegend weder ein wichtiges Interesse des Antragstellers noch die Verkehrsüblichkeit des beantragten Fenstereinbaus zu bejahen ist. Dabei ist der Wunsch des Antragstellers, den Lichteinfall in seine im Erdgeschoss liegende Wohnung zu erhöhen, zwar nachvollziehbar, nach der Rechtsprechung reichen aber bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht aus. Entscheidend ist, ob ein Wohnungseigentümer ohne Änderung sein Objekt nicht mehr dem heute üblichen Standard entsprechend nutzen kann (RIS-Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]; 5 Ob39/15v). Eine Unmöglichkeit der Nutzung behauptet der Antragsteller nicht. Es mag dabei verkehrsüblich sein, aufgrund bautechnischer Notwendigkeiten von einer Baumaßnahme abzugehen, was aber hier schon deshalb irrelevant ist, als das Erstgericht solche bautechnischen Notwendigkeiten für den Einbau des nunmehr vorhandenen Langfensters gerade nicht feststellte. Davon ist aber der Einbau eines völlig anders gestalteten Fensters zu unterscheiden, das nicht wie das von der Zustimmung aller Wohnungseigentümer getragene Rundfenster nur über dem Hoffenster situiert ist, wie der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 21.4.2015 selbst vorbrachte, sondern sich über die gesamte Breite der Fensterflucht erstreckt. Ein derart massiver Eingriff in die Außenhaut des Gebäudes entspricht daher nicht mehr der Übung des Verkehrs. Irrelevant ist, ob der Antragsteller sofort statt des von allen Wohnungseigentümern genehmigten Rundfensters das nunmehr vorhandene Langfenster einbaute oder aber zuerst das genehmigte Rundfenster und in weiterer Folge erst das Langfenster, scheitert doch schon der erstmalige Einbau eines Fensters am Fehlen der oben dargestellten Voraussetzungen des wichtigen Interesses und der Verkehrsüblichkeit. Hätte der Antragsteller zuerst ein Rundfenster und in weiterer Folge ein Langfenster eingebaut, mangelt es umso eher am wichtigen Interesse und an der Verkehrsüblichkeit. Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.“
Aus der Entscheidung des Rekursgerichtes geht hervor, dass der Einbau eines völlig anderen Fensters, das sich darüber hinaus über die gesamte Breite der Fensterflucht erstreckt, richtigerweise nicht als verkehrsüblich betrachtet werden kann. Auch erfolgt der Einbau eines Langfensters anstelle eines Rundfensters nicht aus wichtigem Interesse, weil dies nicht notwendig ist, um eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung des Wohnungseigentumsobjektes zu gewährleisten – der bloße Wunsch nach besseren Lichtverhältnissen eines Wohnungseigentümers mag zwar verständlich sein, genügt der Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 WEG aber nicht. Damit steht die Entscheidung des Rekursgerichtes auch mit der (vom Rekursgericht auch zitierten) Rechtsprechung des OGH im Einklang, der bereits in der Entscheidung 5 Ob 39/15v wobl 2015,309 vom 24.03.2015 die Annahme eines wichtigen Interesses im Falle der Entfernung einer Balkonbrüstung bei im Erdgeschoß liegenden Wohnungseigentumsobjekten zur Erhöhung des Lichteinfalles (und zur Verbreiterung des Zugangs zu einer allgemeinen Grünfläche) verneinte.