Keine „Negativzinsen“ bei Kreditvertrag mit Zinsgleitklausel (Anmerkungen zu OGH 1 Ob 16/20i)
Mit der Entscheidung 1 Ob 16/20i ist die Judikatur des Obersten Gerichtshofes „einzementiert“, wonach selbst bei noch so „textlich missglückten“ Zinsvereinbarungen Zinsgleitklauseln mangels besonderer Umstände so auszulegen sind, dass sie nicht zu „Negativzinsen“ führen können.
Bereits in den Entscheidungen des OGH 10 Ob 13/17k, 6 Ob 51/17v, 1 Ob 4/17w, 9 Ob 35/17p, 8 Ob 101/16k und 8 Ob 107/16t hat der OGH ausgeführt, dass sich die Parteien eines Kreditvertrages typischerweise darüber einig sind, dass der Kreditnehmer als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta Zinszahlungen zu leisten hat; gemessen am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers rechnet der Kreditnehmer bei Vertragsabschluss nicht damit, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten; auch der Kreditgeber ist zu keiner Zeit gewillt, Zahlungen an den Kreditnehmer zu leisten. Daher besteht beim Kreditvertrag allgemein ein übereinstimmender Parteiwille, der eine Zahlungsverpflichtung der kreditgebenden Bank an den Kreditnehmer zur Zahlung sogenannter „Negativzinsen“ ausschließt. Der OGH hat in der Entscheidung 1 Ob 16/20i diese Judikaturlinie fortgesetzt und verfestigt, obwohl diesem Fall folgende Zinsvereinbarung/Zinsgleitklausel mit EURIBOR und LIBOR als Referenzzinssatz zugrunde lag: „Der Zinssatz liegt immer [in den verschiedenen Verträgen zwischen 0,063 und 0,14% pa] über dem Tageswert des 6-Monats-CHF-LIBOR gem […] oder der Zinssatz liegt immer [in den verschiedenen Verträgen zwischen 0,046 und 0,1% pa] über dem Tageswert des 6-Monats-EURIBOR gem […].“ Zu dieser Zinsvereinbarung führte der OGH aus, dass gemäß § 914 ABGB die Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften hat, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände die Absicht der Parteien (der „Geschäftszweck“; RS0000406; RS0017797) zu erforschen ist. Der Vertrag ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei nicht so sehr auf die Wortwahl, sondern auf die von den Parteien bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen ist (RS0017802). Hätte die Kreditnehmerin die in Kreditverträgen/Darlehensverträgen enthaltenen Zinsvereinbarungen tatsächlich so verstanden, dass die Bank als Kreditgeberin/Darlehensgeberin unter bestimmten Umständen zur Zinszahlung (Zahlung von Negativzinsen) verpflichtet sein könnte, so wäre von einer redlichen Vertragspartei zu erwarten gewesen, dass sie ein solches – dem typischen Kreditvertrag/Darlehensvertrag widersprechendes – Verständnis hätte offenlegen müssen (was sie nicht getan hat).